Ein Denkmal und jede Menge Zündstoff
Die Stadt Bonn will an die Bücherverbrennung im dritten Reich erinnern. Die Studierenden spenden, vertreten durch das SP, für ein Denkmal. Es redet: Der Rektor.
„Aber ich dachte nur an Dein Gewehr, Dein Bajonett, die Handgranaten. Wenn wir das alles wegwerfen würden, könnten wir Brüder sein, aber sie wollen nicht, dass wir das erkennen… und so handeln. Wir dürfen die Wahrheit nicht erfahren, wir haben alle Mütter, Väter, die gleiche Angst vor dem Tod, den gleichen Schmerz. Es gibt keinen Unterschied, es ist unmenschlich, vergib mir Kamerad…“
— Paul Bäumer in Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“.
Es ist der 10. Mai 1933. Auf dem Marktplatz vor dem Bonner Rathaus lodern grelle Flammen in den nächtlichen Himmel empor, Männer in SA-Uniformen, mit Pistolenhalftern am Gürtel und Hakenkreuzbinden am Arm, erheben die Hände zum Hitlergruß, bellen Befehle durch den Rauch und koordinieren überall im „Deutschen Reich“ die Verbrennung „antideutschen“ Schriftguts. Die Empfängerin ihrer Anweisungen ist unter anderem die Studentenschaft der Bonner Universität, die unter Anleitung von Hochschullehrern und Sturmabteilungs-Leuten Buch um Buch dem Feuer übergibt. Darunter Werke von Marx, Hemingway, Freud, Egon Erwin Kisch und der Antikriegs-Klassiker „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Unter Nazi-Parolen und Jubelrufen verbrennen sie in den Flammen, als seien sie Sinnbilder für alles, das noch kommen sollte.
80 Jahre später erinnert nun ein Mahnmal auf dem Marktplatz an die Verbrechen des Dritten Reiches, an denen sich auch die Studierenden unserer Bonner Friedrich-Wilhelms-Universität beteiligten. Das Mahnmal trägt den Titel „Lese-Zeichen“ und beinhaltet 60 Buchrücken aus Bronze, die ähnlich wie die berühmten Stolpersteine, in den Boden eingelassen wurden.
Scheinbar willkürlich verteilt befinden sich die Bronzebücher der Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz auf dem Platz, laufen vor den Rathaustreppen zusammen und weisen so den Weg zu einer Bronzetafel im Kopfsteinpflaster, die neben einem Erklärungstext die Namen zahlreicher Autoren auflistet, deren Bücher an jenem 10. Mai 1933 dem Nationalsozialismus und den Flammen im Zuge der „Aktion wider den undeutschen Geist“ zum Opfer fielen. Die Tafel ist jedoch gleichzeitig der Deckel einer Bücherkiste, die ebenfalls in den Marktplatz eingelassen wurde und Exemplare dieser Bücher beinhaltet. An jedem 10. Mai wird aus ihnen zitiert, dann werden sie an Passanten verschenkt.
Ein Denkmal dieser Größenordnung kann nicht ganz billig sein: 21.364,51 Euro (plus noch eine 50.000-Euro-Finanzspritze der Landeszentrale für politische Bildung NRW) wurden insgesamt durch Spenden aufgefahren, um die „Lese-Zeichen“ zu verwirklichen. 2.000 Euro davon trägt alleine die Studierendenschaft der Universität Bonn, so Wolfgang Deuling, Soziologe und Mitinitiator des Denkmals. Und damit seien die Studierenden spendabler als die 504 Professoren und 3.786 wissenschaftliche Mitarbeiter der Uni. Schaut man sich nämlich einmal die Liste derjenigen an, die zum Spendenaufkommen und somit zum finanziellen Gelingen des Projektes beigetragen haben, dann vermisst man dort schmerzlich unsere Universität – obwohl sich Professor Dr. Jürgen Fohrmann, Rektor der Universität Bonn, selbst an den Spendenaufrufen beteiligte und darüber hinaus im Rahmen der festlichen Einweihung des Denkmals eine Rede hielt. Da drängt sich jene unheilvolle Frage auf: Schmückt sich dort etwa jemand mit fremden Federn? „Ja“, meint zumindest Malte Lömpcke, Finanzreferent des AStA und SP-Mitglied, womit er die gängige Meinung im SP repräsentiert. „Bis zur Einweihung des Denkmals hatte ich gar nicht gewusst, dass die Universität Bonn als Institution selbst gar nichts zum finanziellen Gelingen des Denkmals beigetragen hat“, fährt er fort, „weshalb ich umso überraschter war, als ich davon erfuhr!“. Deutlich werde hier eine „Diskrepanz zwischen Außenwirkung und Realität“, da sich die Universität mit den Lorbeeren rühme, zu denen die Studierenden beigetragen haben. „Die 2.000 Euro wurden direkt aus dem Haushaltstopf des SP beigesteuert und somit haben wir, die Studierenden, maßgeblich zu dem Denkmal beigetragen! Deswegen finde ich, hätten auch wir, das SP, als Repräsentant der Bonner Studentinnen und Studenten, die Möglichkeit haben sollen, bei der Einweihung des Denkmals dieser Repräsentantenrolle gerecht zu werden.“ Das größere Problem sieht aber auch Lömpke in den fehlenden Finanzbeiträgen der Uni. „Ich finde es schade, dass die Universität als Institution diese Möglichkeit zur Geschichts-erinnerung nicht wahrgenommen hat“. Das SP hingegen will auch in Zukunft zur Geschichtsaufarbeitung beitragen und das alljährliche Verschenken der Bücher aus der Bücherkiste mitfinanzieren. „Das ist das Mindeste“, so Lömpcke.