IB? Wollen wir nicht!

HOCHSCHULZUGANG  Immer mehr Schulen in Deutschland bieten ihren Schülern als Alternative zum Abitur das International Baccalaureate als Schulabschluss an. Kein Schüler rechnet jedoch mit den Steinen, die ihm damit an deutschen Unis in den Weg gelegt werden.

VON MAX DIETRICH

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Schön warm (Foto: Linnéa Nöth / AKUT)

Zur Erklärung: Das International Baccalaureate Diploma, kurz IB, ist ein allgemeinbildender Schulabschluss, der, soweit so offensichtlich, weltweit angeboten wird. Der besondere Reiz ist dabei, dass jeder Schüler nach den gleichen Kurrikula unterrichtet wird und die gleichen Prüfungen schreibt, die dann anonym und schulunabhängig korrigiert werden. So ist das IB transparenter und vergleichbarer als viele nationale Schulsysteme, weshalb es von den Universitäten vieler Länder umstandslos anerkannt wird.

Die nennenswerte Ausnahme ist Deutschland: Das IB wird hierzulande als gleichwertige Hochschulzugangsberechtigung anerkannt, zumindest solange bestimmte Fächerkombinationen eingehalten werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich, wie mit dem Abitur, direkt bei jeder Universität bewerben kann. Stattdessen führt der Weg in der Regel über die Zeugnisanerkennungsstellen der Bundesländer. Da diese ihre Zulassungen jedoch auf ihr eigenes Bundesland beschränken, muss der Prozess für jedes Bundesland einzeln durchlaufen werden. Wenn dann noch die teils hohen Bearbeitungsgebühren und unklaren Zuständigkeiten dazu kommen, ist die Frustration perfekt.

Obwohl umständlich und zeitraubend, ist das jedoch nicht einmal die Hauptproblematik: Diese liegt in der erzwungenen Notenumrechnung bei der Zulassung, die das IB systematisch herabmindert. Mit der Anerkennung wird die erreichte Gesamtpunktzahl des IB in eine Abiturnote umgerechnet, über die das restliche Anmeldungsverfahren läuft. Das Umrechnungsverfahren, das von der Kultusministerkonferenz beschlossen wurde, wertet jedoch die Leistungen der IB-Schüler erheblich ab. Sie ignoriert die Bestnoten von 45 bis 42 Punkten, und setzt sie insgesamt einer 1,0 gleich, womit außergewöhnliche Ergebnisse wie 45 Punkte, die nur 0,3 Prozent der Absolventen erreichen, einfach nicht gewürdigt werden. Um die völlig unterschiedlichen Notenskalen gleichzusetzen, entstehen bei der Umrechnung zudem Notensprünge: Eine 1,2 etwa ist rechnerisch gar nicht möglich. Dass so ein »Umrechnungszuschlag« von 0,1 bei Bewerbungen für NC-Studiengänge fatal sein kann, ist jedem klar.

Dieses Vorgehen wäre verständlich, wenn sehr gute Ergebnisse im IB häufiger erzielt würden als im Abitur. Jedoch ist das Gegenteil der Fall. Die Durchschnittsnote in Nordrhein-Westfalen lag 2014 bei 2,5, der umgerechnete Durchschnitt im IB jedoch bei 2,9 oder 30,1 Punkten. Alle Bundesländer haben bessere Durchschnittsnoten als das IB. Noch deutlicher wird es bei den Absolventen mit Noten zwischen 1,0 und 1,5. In NRW schafften dies 9,3 Prozent der Abiturienten, andere Bundesländer liegen deutlich höher. Im IB erreichten den äquivalenten Notenbereich nur etwa 4,7 Prozent der Absolventen.

Zwei so gänzlich unterschiedliche Schulabschlüsse zu vergleichen ist schwierig und erfordert weit mehr Detail als hier möglich ist. Es steht aber außer Frage, dass Abitur und IB zumindest gleichwertig sind. Wie kann es dann also sein, dass IB-Schüler nur aufgrund der Tatsache, dass sie einen etwas anderen Bildungsweg gewählt haben, im Zulassungsverfahren der Unis kategorisch benachteiligt werden?

Es gibt kein simples Patentrezept, mit dem sich das Problem aus der Welt schaffen ließe. Die bisherige Strategie der Angleichung auf Biegen und Brechen jedoch kann und wird auf Dauer nicht die Lösung sein.


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