Eine Stunde Sherlock sein

FREIZEIT  Mal was anderes als ein Kinobesuch. Kollektives Rätseln als neue Freizeitaktivität. Zusammen mit drei Kommilitonen hat AKUT-Redakteurin Charlotte den Live-Escape-Room »Fluchtgefahr« in Bonn-Endenich getestet.

VON CHARLOTTE KÜMPEL

Der Escape-Room »Fluchtgefahr« auf der Endenicher Kulturmeile (F

Der Escape-Room »Fluchtgefahr« auf der Endenicher Kulturmeile (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

Als wir »Fluchtgefahr« in Endenich erreichen, kommt gerade eine große Gruppe junger Leute heraus und unterhält sich aufgeregt. »Man kommt also immerhin wieder lebendig aus dem Escape-Room raus«, scherzen wir, nicht wissend, was uns in der kommenden Stunde erwartet. Das Haus an sich erinnert von außen mit seinem Altbau-Charme eher an eine vornehme Villa als an den Schauplatz eines Abenteuers. Es steht mitten auf der Endenicher Kulturmeile, und wäre es nicht rot angestrahlt, würde es im Abendlicht kaum auffallen. Gespannt darauf, was sich innen verbirgt, möchten wir hineingehen – doch da hält uns schon das erste Hindernis auf: Um die Türklingel zu betätigen, müssen wir erst ein kleines Rätsel lösen und einen Zahlencode errechnen. Relativ schnell haben wir es geschafft. Ob es drinnen schwerer wird?

Freundlich begrüßt uns Nadine Richarz. Zusammen mit ihrem Mann hat sie »Fluchtgefahr« im November eröffnet, nachdem er das Konzept der Escape-Rooms für sich entdeckt hat und sogar zu deren Ursprung bis nach Budapest gereist ist, um der Sache auf den Grund zu gehen. In einem Nebenraum bekommen wir als allererstes eine kleine Einweisung. Bis zu 80 Leute besuchen »Fluchtgefahr« pro Tag, ganz gleich ob privat, oder um geschäftliches Teambuilding zu betreiben. Sherlock – so heißt der Raum aus dem wir innerhalb von 60 Minuten versuchen werden, zu flüchten. Er war der erste von mittlerweile drei Räumen, die »Fluchtgefahr« zu bieten hat und handelt, natürlich, von Sherlock Holmes.

Wir werden in den Escape-Room geführt, ein liebevoll eingerichtetes Büro im viktorianischen Stil. Die schweren Vorhänge und dunklen Wandvertäfelungen unterstreichen die gemütliche Atmosphäre. Es riecht sogar ein bisschen »alt«, aber nicht auf eine unangenehme Weise. Stilecht eben.

Als sich die Tür hinter uns schließt, ist es so, als wären wir in die Vergangenheit gereist. Ein altes Telefon, eine Schreibmaschine, alte Bücher in den dunklen Regalen: Alles hier ist handgemacht, haben wir uns sagen lassen. Lediglich der Monitor an der Wand erinnert uns daran, dass wir uns im 21. Jahrhundert befinden. Auf ihm ist der 60-minütige Countdown zu sehen. Außerdem wird der Escape-Room von Nadine Richarz und ihrem Team videoüberwacht, um uns über den Monitor kleine Tipps zu geben, falls wir gar nicht weiterwissen. Wie oft wir diese Hilfe in Anspruch werden nehmen müssen, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Unsere abenteuerliche Stunde beginnt jetzt.

Doch wo fangen wir an? In der Mitte des Raumes steht ein Schreibtisch, wo wir instinktiv zuerst nach irgendeinem Hinweis suchen. Wir wissen nicht mal, was wir eigentlich tun müssen. Auf dem Schreibtisch finden wir dann einen Brief von Dr. Watson, Sherlock Holmes’ Partner, in welchem er uns unsere Aufgabe mitteilt. Er und seine Frau Mary wurden von Sherlocks Erzfeind, dem fiesen Moriarty, entführt und nur wir, als Sherlock, können die beiden retten. Wir versuchen, Dr. Watsons Nachricht genauer zu analysieren um herauszufinden, wo wir nach weiteren Hinweisen suchen könnten. Schnell fällt mir auf: Alleine hätte ich vermutlich keine Chance, die Aufgabe zu bewältigen. Hier ist gemeinschaftliches Denken und Rätseln gefragt. Dabei ergänzen sich meine Mitspieler in ihren Ideen.

Raum »Sherlock« (Foto: Fluchtgefahr / Escape-Room Bonn)

Raum »Sherlock« (Foto: Fluchtgefahr / Escape-Room Bonn)

Zuerst sind wir ein wenig überfordert. Alles hier könnte doch ein Hinweis sein, denke ich und schaue mich erstmal hektisch in den Bücherregalen um, während die anderen noch auf dem Schreibtisch suchen. Ich lasse mich viel zu leicht von den ganzen Gegenständen ablenken, die sich im Escape-Room befinden. Glücklicherweise kommen wir dann doch zusammen irgendwie auf die richtige Fährte und finden die erste Aufgabe. Hier ist unser mathematisches Können gefragt, denn wir müssen den Code für ein Zahlenschloss enträtseln. Insgesamt müssen wir ziemlich viel rechnen, und obwohl die Aufgaben theoretisch nicht sonderlich anspruchsvoll sind, verrechnen wir uns ziemlich oft und bleiben hängen. Unter diesem Zeitdruck, verstärkt durch spannungsschaffende Hintergrundmusik, macht man schnell Fehler. Ein Hupen ertönt, das Zeichen dafür, dass Nadine Richarz und ihr Team uns Tipps über den Monitor geben. »Ahhh, wieso sind wir da nicht draufgekommen?«, fragen wir uns des Öfteren, weil wir anscheinend viel zu kompliziert denken. Immer wieder rechnen wir, verrechnen uns, bekommen Tipps und knacken anschließend die Zahlenschlösser, um weitere Matheaufgaben zu erhalten. Für Geisteswissenschaftler vielleicht ein bisschen mühselig, ein Mathematiker hätte hier auf jeden Fall mehr Erfolg.

Erst nach einer überraschenden Wendung werden die Aufgaben abwechslungsreicher, jedoch auch viel schwieriger. Sehr lange hängen wir bei einer Aufgabe fest, kommen für eine gute Viertelstunde gar nicht weiter. Auch die Tipps helfen uns irgendwann nicht mehr. So langsam werden wir ziemlich nervös und fragen uns zwischendurch, ob wir nicht einfach zu unfähig für Escape-Rooms sind. Ein Blick auf den Countdown verrät, dass wir nur noch 13 Minuten Zeit haben. Verzweifelt verschieben wir wahllos alle möglichen Gegenstände, suchen den Boden und die Wände ab. Im Verdacht, irgendetwas übersehen zu haben, schaue ich mir noch einmal die vorherigen Aufgaben an. Doch nichts hilft. Wieder einmal denken wir nämlich viel zu kompliziert. Ein weiteres Hupen ertönt.

Als wir die schwierige Aufgabe endlich gelöst haben, sind es noch knapp vier Minuten, bis Dr. Watson und seine Frau theoretisch dem Tode geweiht sind. »Das schaffen wir nicht!«, rufe ich hoffnungslos, und doch geben wir nicht auf. Die letzte Aufgabe ist eine ziemlich nasse Angelegenheit und schon fast ein bisschen sportlich. Inzwischen schießt mir das Adrenalin durch den Körper, denn ich will hier nicht als Verlierer rausgehen. Wir geben unser Bestes und schaffen es gerade noch rechtzeitig, das letzte Zahlenschloss zu knacken. Erleichtert öffnen wir die Tür nach draußen. Dort wartet bereits Nadine Richarz auf uns, um uns zu gratulieren. Wir sind erfolgreich entkommen und befinden uns wieder im Bonn des 21. Jahrhunderts.

Obwohl die ganze Sache ziemlich mathelastig war, sind wir uns einig: Es hat verdammt viel Spaß gemacht. Zugegeben, als Studentin kann man sich dieses Abenteuer nicht allzu oft leisten, denn eine Stunde im Escape-Room ist mit einem Preis zwischen 22,50 Euro und 30 Euro pro Person nicht gerade günstig. Trotzdem lohnt sich dieses besondere Erlebnis, vielleicht als ausgefallenes Geburtstagsgeschenk, oder als kleine Belohnung nach einer anstrengenden Klausurphase. Ein Studentenrabatt ist zudem in Planung. Eins steht fest: Wir kommen wieder!


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