Von Florian Eßer
Teletubbieland (BONN/akut): Sogar der kindergesichtigen Sonne ist das Kichern vergangen, als es kurz vor der Wahl des XXXVII. KiKa-Parlamentes vom 19. bis zum 22. Januar zum Eklat kam. Allem Anschein nach wird die kommende Wahl nämlich ohne die ‚Grüne Partei Teletubbieland‘ (GPTL) stattfinden, wie der Ältestenrat beschlossen hatte. Grund für dieses Urteil ist gewesen, dass Dipsy, Spitzenkandidat der GPTL, die Liste seiner Partei nicht fristgerecht eingereicht hatte. Drei Sekunden zu spät sei diese bei Noo-Noo, Staubsauger und Leiter des Wahlausschusses, eingegangen. „Drei %*@!§ Sekunden!“, brüllt Dipsy, dessen Antenne aufgeregt wackelt. „Das ist überhaupt nicht belegbar, da frage ich mich doch wirklich, wer hat da an der Uhr gedreht?“ Nach einem längeren Hin und Her sei zunächst beschlossen worden, das Urteil zu revidieren und die GPTL doch noch zur Wahl zuzulassen. Doch zerstörte ein Antrag des ‚Rings Kindlich-Demokratischer Teletubbies‘ (RKDT) die anfängliche Freude bald. Diesem Antrag, die GPTL doch noch vom Wahlgeschehen auszuschließen, wurde vom Ältestenrat und dem Wahlausschuss schließlich stattgegeben. „Die Entscheidung des Ältestenrates ist unzumutbar“, kommentiert Dipsy die unzumutbare Entscheidung des Ältestenrates. „Die Wahl kann ich mir jedenfalls an den Hut stecken“, seufzt der leidenschaftliche Politiker, der vermutet, dass der Antrag des RKDT pure Berechnung statt Prinzipientreue ist.
Unterdessen geht der Wahlkampf weitestgehend ungestört weiter: Die Spitzenkandidierenden der verbliebenen Parteien, Po, Laa-Laa und Tinkiwinky, präsentierten bei der Tubbiefantenrunde am 14. Januar ihre Wahlkampffilmchen auf den in ihren Bäuchen integrierten Fernsehapparaten. „Die Filme können ohne Zeitgefühl verstanden werden und sollen der Fantasiewelt von Kindern bis maximal fünf Jahren entsprechen“, weiß Wahlexpertin Frau Vicky PeDia im Gespräch zu berichten. Geworben wird um die Gunst der Wähler, möglichst viele von ihnen sollen an den Wahltagen an die Urnen gelockt werden. 33.636 Teletubbies sind wahlberechtigt, aber nicht zwingend motiviert, diese Berechtigung zu nutzen. Bei der letzten Wahl im Jahr 2014 waren es nur knapp 4.000 von ihnen, die ihre Stimme für eine der Parteien abgegeben hatten. PeDia weiß über das mangelnde Interesse an den Wahlen Bescheid. Anstatt im kleinen, aber dennoch wichtigen, Rahmen von ihrem Recht auf demokratische Abstimmungen Gebrauch zu machen, „spielen sie mit ihren Lieblingsspielzeugen, treffen sich, singen, kochen, backen, schlafen im Teletubbie-Haus oder gehen ähnlichen Aktivitäten nach“, so die Expertin. Woran das liegen mag? Man möchte mutmaßen, dass die Forderungen der Parteien sowie die Verbesserung des Hochschulwesens im Teletubbieland die Angesprochenen nicht ansprechen würden, dabei „hat die verwendete ‚Babysprache‘ den Vorteil, dass es die Sprachform der Kleinkinder ist, die sie verstehen“, erklärt PeDia unter Berufung auf die Quellenverweise ihrer Website.
Warum die Wahlbeteiligung dennoch am Existenzminimum dahinsiecht, bleibt also ein Rätsel. Faulheit muss es wohl sein, betrachtet man den zeitlichen Aufwand der Stimmabgabe von gefühlten drei Sekunden. Die selbe Zeitspanne, die Dipsy die Kandidatur kostete, könnte den Teletubbies, die es nicht zur Wahlurne schaffen, einiges mehr abverlangen. Auf dem Spiel steht die Repräsentation der eigenen Meinung in einem Parlament, welches die Interessen von möglichst allen Teletubbies vertreten soll. Um dies zu gewährleisten, ist eine Beteiligung seitens der Wahlberechtigten jedoch unumgänglich: „Die Sonne wird bald untergehen, die Teletubbies sagen auf Wiedersehen.“
Packen wir den Spaß und die Teletubbies aber einmal beiseite und widmen uns der Realität, die von Zeit zu Zeit ohnehin jegliche Satire in den Schatten stellt. Wenn drei Sekunden, die nicht einmal komplett bestätigt sind, weil man sich darüber streitet, ob überhaupt irgendjemand auf die Uhr geguckt hat, ausreichen, damit eine Hochschulgruppe von der Wahl des Studierendenparlamentes ausgeschlossen wird, dann ist das an sich schon genug Satire – alleine schon ein Witz. Zum Schießen. Dabei sollte man meinen, dass Witze nicht mehr lustig sind, wenn man sie erklärt. Ganz im Ernst: Wer wundert sich noch darüber, dass die Wahlbeteiligung auf Zimmertemperatur liegt? Auf den hochschulpolitischen Äckern herrscht Dürre, keine Frage, aber wenn der Wahlkampf nun selber schon zur Vogelscheuche wird, hässlich genug, um noch mehr potentielle Wähler von den Urnen fernzuhalten, dann ist die Schuld dafür nicht alleine bei den Wahlberechtigten zu suchen, sondern auch bei denen, die von diesen gewählt werden wollen. Wenn Parteien wegen der Zeitspanne eines Wimpernschlages ausgeschlossen werden, dann nimmt man damit auch den Studierenden die Möglichkeit, ihre Interessen im SP vertreten zu sehen. Wer erhofft sich was davon? Gönnen wir uns einen Augenblick, geschätzte drei Sekunden, um ein wenig zu spekulieren… Es gibt doch zwei Möglichkeiten. Erstens, diejenigen, die ihre Stimme der Grünen Hochschulgruppe gegeben hätten, wählen eine andere Partei, und dann muss man sich fragen, ob sich da nicht jemand selber eine Grube gegraben hat, oder zweitens, die selben potentiellen Grünenwähler wählen überhaupt niemanden, was der Wahlbeteiligung letztlich komplett die Schuhe ausziehen würde.
Möglichkeiten, die Beteiligung zu senken, gibt es also etliche: Eine Kritikfähigkeit wie der Kreml, ein Demokratiegefühl wie nordkoreanische Diktatoren, die Tatsache, dass Parteimitglieder einander verklagen, was nun wirklich kein Witz ist, und, jetzt einmal zusammengefasst: Ein Wahlkampf, schmutziger als die Spannervorfälle auf den Unitoiletten.
Auch wenn alle Zeichen das Gegenteil vermuten ließen, ist eine Beteiligung an den Wahlen deswegen dieser Tage wichtiger als je zuvor. Wer sich über die Weltpolitik aufregen kann und zu jedem Geschehnis auf der Erdkugel eine Meinung hat, dem sollte es wohl auch möglich sein, seine Meinung im Rahmen des Möglichen zu vertreten, vor Ort Dinge zu ändern, statt den Kopf in den Wolken und den Hintern auf der Couch zu haben. In der letzten Ausgabe der akut war das große Thema, dass wir Studenten und Studentinnen unengagiert, unpolitisch, unmotiviert und ganz generell uninteressiert seien. Jetzt gibt es die Möglichkeit, dass Gegenteil zu beweisen. Mir persönlich reicht nämlich ein „Un“ auf der Welt.
Für die Grünen mag es zwar „Wahl, winke, winke“ heißen, aber für den Rest von uns heißt es „Zeit für wahli, wahli!“. Denn so humorvoll, wie man mit ihr umgehen mag, so ernst ist die Parlamentswahl für eine Verbesserung unserer Studienbedingungen. Also alle fleißig wählen, wir sind ja schließlich keine Kinder.
Florian Eßer studiert Germanistik und Psychologie und ist großer Teletubbies-Fan. Davon, jemanden vom Spielen auszuschließen, hält er nichts.