Ein Versteckspiel um die Kissinger-Professur
Die Einrichtung der Kissinger-Professur ist beinahe unbemerkt in vollem Gang – doch auch der Widerstand schläft nicht.
Es rumort an der Universität Bonn. Nachdem ihr im Mai 2013 von der damaligen Bundesregierung die sogenannte Kissinger-Professur, eine Stiftungsprofessur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung, zugesprochen worden war (die akut berichtete), ist das Berufungsverfahren für das umstrittene Projekt mittlerweile laut Uni-Pressesprecher Andreas Archut „in vollem Gang“. Die Universität macht anscheinend Nägel mit Köpfen, ohne sich dabei von Kritik und Protesten aus unterschiedlichen Richtungen beirren zu lassen.
Derweil werden immer weitere Details bekannt, auch wenn die Informationsbereitschaft der Universität sich weiterhin in Grenzen hält. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass hier schnell möglichst viel im Hinterstübchen entschieden und über die Bühne gebracht werden soll, bevor es einer merkt und womöglich weitere Stimmen gegen das Projekt laut werden könnten.
Die neu gegründete Professur, die schon ab dem Wintersemester den Lehr- und Forschungsbetrieb aufnehmen wird, wird Informationen der Uni zufolge einer „zentralen wissenschaftlichen Einrichtung für internationale Sicherheit und Governance“ zugeordnet werden. Laut informierten Kreisen ist diese nicht einem bereits existierendem Institut unterstellt, sondern nur dem Rektorat. Die erste Folge daraus war, dass die Mitglieder der Berufungskommission in einem außerordentlichen Verfahren allein vom Rektorat ernannt worden sind und universitäre Gremien wie der Senat nicht daran beteiligt waren. Das Ergebnis: Die Kommission ist eine reine Männerriege mit überwiegend konservativem Hintergrund.
Ein sogenanntes Direktorium, in dem der Stiftungsprofessor selbst und neun weitere männliche Mitglieder sitzen, die sich größtenteils durch Expertise dafür qualifizieren, wird für die inhaltliche Ausrichtung zuständig sein, ein Geschäftsführer für die Umsetzung der Einrichtung. Zudem wird ein sogenanntes Kuratorium eingerichtet werden, das gewissermaßen als Aufsichtsrat der „zentralen wissenschaftlichen Einrichtung für internationale Sicherheit und Governance“ fungiert. In diesem Kuratorium sitzen auch Vertreter der beiden finanzierenden Ministerien.
Die Stiftungsprofessur soll jährlich mit einem hoch verdienten früheren Diplomaten der USA besetzt werden. Dessen Aufgabe wird es sein, ein Netzwerk zwischen Akteuren der Sicherheitspolitik und der Wissenschaft zu schaffen. Ziel ist es, dass jedes Jahr ein neuer Gastprofessor mit seinen Kontakten dieses Netzwerk bereichert.
Inhaltlich werden laut Völkerrechtsprofessor Prof. Matthias Herdegen „Fragen der internationalen
Sicherheit in einem weit verstandenen Sinne aus Sicht der Völkerrechtsordnung, der internationalen Beziehungen und der praktischen Politikgestaltung“ im Vordergrund stehen. Dazu gehören nicht nur militärische Bedrohungslagen, sondern auch Entwicklungspolitik, Verteilungskonflikte aus Ressourcenmangel und die Bewältigung von „Konflikten, die mit schweren Menschenrechtsverletzungen verbunden sind“. Der letzte Punkt spricht ein besonders heikles Thema an, denn bei ihren Gegnern steht die Kissinger-Professur unter anderem deshalb in der Kritik, weil ihrem Namensgeber selbst Menschenrechtsverstöße zur Last gelegt werden.
Doch auch der Widerstand gegen die Professur hat inzwischen Fahrt aufgenommen. Im Oktober letzten Jahres gründete sich die „Initiative Zivile Universität Bonn“, die aus verschiedenen Hochschulgruppen (ghg, Jusos, Piraten und LUST), einem Arbeitskreis von Bündnis 90/Die Grünen und nicht organisierten Mitgliedern besteht. Die Initiative wendet sich weiterhin gegen die Namensgebung, die Finanzierung und die befürchtete Einflussnahme durch die Geldgeber, allen voran durch das Verteidigungsministerium. Darüber hinaus sprechen sich die Mitglieder der Initiative für eine Zivilklausel in der Grundordnung der Uni Bonn aus, welche Forschung und Lehre auf friedliche und zivile Ziele verpflichten würde.
Lukas Mengelkamp, Mitglied der Inititative gegen die Kissinger-Professur, hält es für wichtig, weiterzumachen, auch wenn es momentan so aussieht, als wäre die Professur nicht mehr abzuwenden. Am wichtigsten sei es ihm, die Studierendenschaft zu informieren und wenn möglich größere Medien auf das Thema aufmerksam zu machen, sagt er. Über die Proteste der Grünen Hochschulgruppe berichteten bereits die Welt und die taz. Mengelkamp hält es beispielsweise für „äußerst unwahrscheinlich“, dass die Finanzierung – wie bisher vorgesehen – nach Ablauf der fünf Jahre durch die beiden Ministerien einfach eingestellt werden wird, wenn man sich davor intensiv darum bemüht hat, ein Netzwerk zwischen Sicherheitspolitik und Wissenschaft aufzubauen. Er befürchtet, dass durch eine etwaige Weiterfinanzierung durch die Universität an Forschung und Lehre in anderen Bereichen gekürzt werden wird.
Mengelkamp spricht von vier Ebenen auf denen der Widerstand gegen die Professur aktiv werden kann: auf der universitären setzt die Initiative selbst durch eine Veranstaltungsreihe und weitere Aktionen an. Auf der kommunalen Ebene ist ein Antrag der Grünen und der Linken, die sich dem Aufruf des SP aus dem Oktober anschlossen, an den Stimmen von CDU, SPD, FDP und dem WählerBundBonn mit der Begründung, dass man sich in inneruniversitäre Vorgänge nicht einmischen wolle, im Dezember vorerst gescheitert.
Auf Landesebene steht Forschungsministerin Svenja Schulze (SPD) nach Angaben der Universität uneingeschränkt hinter der Professur, doch auf der Bundesebene wird die Initiative von der Bundestagsabgeordneten Katja Dörner (Grüne) unterstützt, die bereits eine Kleine Anfrage zur Professur im Bundestag gestellt hat.
Als nächste Schritte plant die Initiative einen offenen Brief an Rektor Fohrmann, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, für den auch Unterzeichner aus der Wissenschaft gefunden werden sollen. Immerhin finden sich auch unter Dozenten und Professoren der Uni ausgesprochene Gegner der Professur.
Aufgeben will Lukas Mengelkamp in Sachen Kissinger-Professur auf keinen Fall: „Selbst wenn man es nicht verhindern kann, kann man sich nicht vorwerfen, nichts getan zu haben!“
Info-Box
Die Einrichtung der Kissinger-Professur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung an der Universität Bonn wurde im Mai 2013 durch den damaligen Außenminister Westerwelle und den Verteidigungsminister de Maizière bekannt gegeben. Anlass war der 90. Geburtstag des ehemaligen US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsberaters und Außenministers deutscher Herkunft Henry Kissinger. Die Stiftungsprofessur wird für fünf Jahre jährlich durch 250.000 € durch das deutsche Verteidigungsministerium und 50.000 € durch das deutsche Außenministerium gefördert. Bald nach der Bekanntgabe wurde durch verschiedene Hochschulgruppen Kritik laut, da Henry Kissinger selbst Verwicklungen in Menschenrechtsvergehen vorgeworfen werden, u. a. während des Vietnamkriegs und wegen der Unterstützung von Militärregimes in Chile und Argentinien durch die USA. Außerdem wird von dem Gegnern eine Einflussnahme auf die inhaltliche Ausrichtung der Professur durch das Verteidigungsministerium befürchtet und die unklare Weiterfinanzierung nach Ablauf der fünf Jahre kritisiert. Das Studierendenparlament und der AStA fordern die Universität daher dazu auf, von der Namensgebung abzusehen und die Finanzierung sowie die inhaltliche Ausrichtung offen zu legen.