Bonner Politologe gibt der AfD ein Gesicht
von Michael Herth
Im Büro von Stefan Fuchs scheint bis ins kleinste Detail alles seinen Platz zu haben. Ein paar Bilder schmücken die weißen Wände. Unmengen Bücher und Ordner füllen die Regale. Stefan Fuchs beschäftigt sich nicht nur mit Politik, er macht jetzt auch Politik. Seit kurzem ist er stellvertretender Kreisvorsitzender für Bonn der erst im April dieses Jahres gegründeten Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Das Kernthema der Partei ist Wirtschaftspolitik. Die Euro-Krise und der Euro sollen überwunden werden. Hochkomplexe wirtschaftliche Angelegenheiten stehen im Fokus der Partei. Der Geisteswissenschaftler Fuchs ist allerdings weniger in der Finanzpolitik zu Hause. Sein Fachgebiet ist die Familienforschung und der demographische Wandel. Gerade hat er seine Promotion zum Thema: „Mehr Kinder durch weniger Familie? Die Politik der Defamilialisierung und die niedrige Fertilität in Deutschland“ zum Abschluss gebracht. Dennoch: von Anfang an sei er dabei gewesen, berichtet er. Hörte den Parteivorsitzenden Bernd Lucke schon öfters reden. Fand die Idee gut. Wollte dabei sein, wenn eine Partei von null an startet.
Fuchs bat um dieses Gespräch, nachdem die „akut“ bereits in der letzten Ausgabe über die „Anti-Euro-Partei“ berichtet hatte. Das ganze Gespräch über scheint der Politologe zu wissen, wovon er spricht. Schmeißt mit Zahlen und Statistiken nur so um sich. Nennt dutzende, mehr oder weniger, bekannte Wissenschaftler, Politiker und Unternehmer, die nun alle der AfD angehören. Sie alle wissen und wussten schon vorher, dass der Euro scheitert.
Herr Fuchs, warum sind Sie in die AfD eingetreten?
Ich wollte bei der Wahl wieder eine Wahl haben. Erwartet hatte ich, dass die Gründungsphase einer neuen Partei etwas chaotisch ist. Beim Gründungsparteitag der AfD-NRW in Rommerskirchen war ich dann aber von der Atmosphäre positiv überrascht, so dass ich sofort wusste, dass das die richtige Entscheidung war, sich da anzuschließen. Die Mehrheit der Leute ist umgänglich, sachlich und kompetent.
Was genau missfällt Ihnen denn an den anderen, etablierten Parteien?
Es geht um die Euro-Rettung. Das ist der Dreh-und Angelpunkt, um den es der AfD geht. Also eine Politik, die rechtsbeugend und ökonomisch widersinnig ist, die Europa auseinander führt, kann ich nicht unterstützen. Die „Euroretter“ verhalten sich wie ein Familienvater im Spielkasino, der sich nicht traut, den Spielverlust seiner Frau einzugestehen. Und deswegen immer weiter spielt, bis er schließlich sein ganzes Heim verzockt hat. Und genau das ist die Situation. An dieser verfahrenen Lage etwas zu ändern – das ist innerhalb der etablierten Parteien nicht möglich.
Die AfD wirbt nun ja mit sehr prägnanten Forderungen: Den Euro-Raum aufzulösen, die D-Mark wieder einzuführen. Was gefällt Ihnen denn nicht am Euro?
(zeigt auf Tabellen und Statistiken) Was einem nicht am Euro gefällt, kann man einfach darstellen: Der Euro ist ein beschäftigungs- und sozialpolitischer Misserfolg. Nehmen wir das Beispiel Portugal. Sie haben dort eine Verdreifachung der Arbeitslosenzahlen seit Einführung des Euros. Gleichzeitig hat sich der Schuldenstand des Landes verdreifacht.
An diesem Desaster ist der Euro schuld: Die Schulden konnte Portugal nur derart hochfahren, weil es durch den Euro niedrige Zinsen hatte. Also mit den früheren, höheren Zinssätzen in ihren Nationalwährungen hätten die Politiker in Südeuropa, also Spanien, Portugal, Griechenland, die Verschuldung nicht so ausweiten können. Weil die hohen Zinsen das gestoppt hätten. Die Sanktion durch höhere Zinsen ist erfahrungsgemäß das einzige, was die Verschuldung effektiv bremst. Irgendwelche Schuldengrenzen im Gesetzblatt helfen da nicht, unverbindliche Bekenntnisse zur „Konsolidierung“ auf Regierungsgipfeln erst recht nicht. Höhere Zinsen als Warnsignal des Marktes bremsen dagegen die Verschuldung. Mit ihrer sog. Rettungspolitik versuchen die Regierungen und mehr noch die Europäische Zentralbank diese Marktmechanismen auszuschalten. Sie verhalten sich wie ein fiebernder Kranker, der sein Fieberthermometer zerschlägt.
Aber was passiert nach einer möglichen Abschaffung des Euros? Was passiert mit der EU?
Der Euro ist kein Bindemittel. Der Euro schafft in Europa nur Streit. Es gab 50 Jahre europäische Integration ohne den Euro. Frieden und Währungsunion haben nichts miteinander zu tun. Jugoslawien hatte eine gemeinsame Währung und ist trotzdem im Bürgerkrieg auseinandergefallen. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt, wie problematisch Währungsunionen sind – die lateinische Münzunion ist dafür ein einschlägiges Beispiel.
Was ist mit Mittelosteuropa? Besonders dort sind es doch die Währungsunion und der Euro, die die wirtschaftlich schwächeren Länder zum westlichen Markt bewegt haben. Was passiert mit diesen Ländern, die auf die EU und den damit verbundenen Markt angewiesen sind?
Die mittelosteuropäischen Staaten orientieren sich zurzeit am Euro. Wenn es den nicht mehr gäbe, würden sie sich an der D-Mark orientieren. Die D-Mark würde dieselbe Funktion
erfüllen. Die hat schon in den 1980er Jahren als Leitwährung gedient. Faktisch hat sich damals die Wirtschaft besser entwickelt als jetzt unter dem Euro. Sicher hat der Euro auch ein paar Vorteile (kein lästiges Geldwechseln bei Reisen nach Italien etc.), aber es gibt eben auch riesige Nachteile. Jetzt ist der Euro aber da, die Frage ist wie kommt man da jetzt wieder raus…
…und das wäre meine nächste Frage gewesen. Wie stellt sich die AfD einen Euro-Ausstieg überhaupt vor, logistisch und pragmatisch gesehen? Wie könnte man die D-Mark denn wieder einführen?
Es geht ja nicht darum, einfach zur früheren D-Mark zurückzukehren. Ebenso wenig, wie sie zweimal in denselben Fluss steigen, können Sie das frühere Währungssystem wieder einführen. Es gibt aber verschiedene bedenkenswerte Vorschläge, was Auswege aus dem Euro-Dilemma angeht.
Zum Beispiel der „Nord-Euro“.
Das ist einer der Vorschläge.
Was ist daran dann wieder anders? Das ist auch eine Wirtschaftsunion.
Ja, aber zwischen wirtschaftlich homogeneren Räumen. Die Südeuropäer würden so die für sie überharte Währung loswerden. Und könnten wieder Exportvorteile haben und günstiger Dienstleistungen anbieten, zum Beispiel im Tourismus. Und natürlich, dieses Umschalten auf eine neue Währung ist kompliziert und es kann ungemein viel schief gehen. Man braucht da Anpassungsmechanismen. Bernd Lucke sagt, man müsse an drei Punkten arbeiten, denn wir haben ein Bankenproblem, ein Staatsschuldenproblem und ein Wettbewerbsproblem. Und die Schäuble-Strategie setzt immer nur bei den Staatsschulden an. Lucke möchte dagegen über sog. „Parallelwährungen“ die Wettbewerbsfähigkeit der Südländer verbessern und den Bankensektor reformieren, bevor die Steuerzahler wieder bluten müssen, sollen zuerst die Anteils-eigner ihren Konsolidierungsbeitrag leisten.
Das sind alles hochkomplexe Themen. Wie wollen Sie das dem Wähler verkaufen?
Ich denke, dass sehr viele ein Unbehagen spüren und wissen, dass es so nicht weiter gehen kann. Sie sehen, wie sie um ihre Ersparnisse und damit um ihre Altersvorsorge geprellt werden. In so einer Situation und mit solchen Politikern, deren Unfähigkeit Lösungen zu finden offenkundig ist, kann man nicht mehr weitermachen. Leute wie Bernd Lucke, die auch ökonomischen Sachverstand haben, die kann ich in der heutigen Bundesregierung und in der Opposition nicht erkennen. Sachverständige wie der frühere sächsische Ministerpräsident Prof. Georg Milbradt (CDU) sagen es deutlich: Der Euro war die dümmste wirtschaftspolitische Entscheidung seit Ende des zweiten Weltkrieges. Zu diesem Eingeständnis sind die etablierten Parteien nicht bereit. Deshalb braucht es einfach eine neue politische Alternative mit mehr Realitätssinn und mehr Sachverstand.
Ist es nicht das große Problem der AfD, dass sie eine monothematische Partei ist?
Ich sehe das eher so, dass wir die Partei sind, die das entscheidende Thema behandelt. Alle anderen Parteien versuchen nur Nebenschauplätze aufzuziehen. Wenn die diese Politik so weiter betreiben, landen wir irgendwann bei italienischen Verhältnissen.
Sprechen wir über die Integrationspolitik. Dazu nimmt die AfD in ihrem Wahlprogramm auch Stellung. Und da fordern Sie „qualifiziertere und integrationswilligere“ Zuwanderer für Deutschland. Eigentlich ist doch jeder Zuwanderer integrationswillig.
Also zunächst brauchen wir mehr nationale Kompetenzen in der Zuwanderungspolitik. Wir haben in vielen Städten Armutseinwanderung aus Südosteuropa. Und den betroffenen Kommunen sind die Hände gebunden, sie dürfen nicht einmal Krankenversicherungsnachweise verlangen als Zuwanderungsvoraussetzung. Auch dieses Problem ignoriert die Europäische Kommission. Daher müssen dringend wieder Kompetenzen auf die nationale Ebene zurückgeholt werden, um Zuwanderung steuern zu können. Das ist unerlässlich.
Ich würde gern nochmal bei der Integrationspolitik bleiben, weil das auch ein Thema ist, das mit der Euro-Krise zusammenhängt. Da möchte ich aus ihrem Wahlprogramm zitieren: „nur ernsthaft politisch Verfolgten“ solle man Asyl anbieten. Was ist damit gemeint?
Wir haben ein geltendes Asylrecht. Und wir stehen zu diesem Asylrecht. Aber es muss natürlich auch angewandt werden. Die Zuwanderung, die uns zurzeit beschäftigt, hat mit dem Asylrecht gar nichts zu tun. Es geht um die EU-Freizügigkeit innerhalb der 27 EU-Länder. Und da gibt es Länder, die etwas vorschnell in die EU aufgenommen worden sind, sprich Rumänien und Bulgarien. Aus guten Gründen wird daher gefordert, zumindest vorübergehend, wieder VISA einführen und Grenzen kontrollieren.
Also mehr Nationalstaatlichkeit.
Mehr Subsidiarität. Und das bedeutet weniger Zentralismus und mehr Regelungskompetenzen auf der passenden Zuständigkeitsebene. Es geht darum, die Vielfalt in der Union zu erhalten. Und das erfordert zum Beispiel nicht die Beibehaltung des Euros. Aber möglichst die Beibehaltung des Binnenmarktes und der Freizügigkeit in Europa.
Abschließend Herr Fuchs, was wünschen und erhoffen Sie sich für die Bundestagswahl? Und was glauben Sie, wie viel Prozent die AfD erreichen könnte?
Ich bin sicher, dass die AfD in den Bundestag einzieht und das Kartell der Euro-Rettungsparteien im Bundestag aufbrechen kann.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fuchs.
Ich finde die Kritik an den herrschenden Zuständen richtig. Die genannte Situation in der EU ist durch den Euro und durch die nicht demokratisch entstandenen Entscheidungen der EU das grosse Problem in Europa , das man grundlegend ändern muss.
Herr Fuchs hat ein anders wichtiges, vielleicht gefährliches Problem der EU nicht genannt: die legale Migration der Intelligenz aus armen Ostländern in die reichen Westländer. Obwohl oberflächlich betrachtet, die Westländer profitieren bedeutet die Situation die Zerstörung der Völker. Jedes Volk braucht seine Pyramide, das gebildete geistige kreative Element und die verschiedenen Stufen der Exekutive. Bricht dieser natürlichen Pyramide ein grosser Teil weg ( wie z.B. die Auswanderung von Ärzten und Pflegepersonal oder Forscher an Universitäten), dann verkommt dieser Staat zu einer billigen Produktionsstätte für andere Staaten. Die Armut wächst, man handelt sich mit dieser „Migrationspolitik“ unvorhersehbare Gefahren ein, was zum Zusammenbruch oder der Radikalisierung dieser Staaten führen kann.
Der Euro als NordEuro finde ich zu kurz gedacht und nur eine Beruhigungspille für diejenigen, die schon vom Gedanken einer Euro Reduzierung geschockt sind. Mein Vorschlag: Der Euro bleibt im Umlauf und jedes Land erhält seine alte Währung zurück, die er nach Wechselkursen in den Euro umtauschen kann oder umgekehrt vom Euro in die Landeswährung zurück. Z.B könnte man in Deutschland heute einen Euro für 1,20 kaufen. In Italien müsste man 3000 Lire bezahlen. 2002 war ein Euro 2 DM wert und 2000 Lire in Italien. Wie auch früher würde sich der Wert der Landeswährung nach der Leistung des Landes richten und damit kein Land mehr in grosse Schwierigkeiten bringen, weil durch die eventuelle Abwertung z.B. der Tourismus and der Export stark angekurbelt würden. Psychologisch wäre es schwierig, in allen Ländern die alte Währung zurück zu führen, das diese Massnahem nach Verlierertum aussieht.