Bonn muss keine Weltstadt sein

LEITARTIKEL  Die in Bonn verbliebenen Bundesministerien stehen erneut zur Debatte. In der Bundesstadt ist man darüber empört und pocht auf die Einhaltung des Berlin/Bonn-Gesetzes. Eine Reise nach Berlin zeigt aber: Das Problem ist Bonn selbst.

von Philipp Blanke

Immerhin zwei Türmchen: Bonn (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

Immerhin zwei Türmchen: Bonn (Foto: Alexander Grantl / AKUT)

Für den gebürtigen Bonner Ludwig van Beethoven war es kein schöner Sommer. Sein Geburtsort verweigerte ihm nach langem politischem und gesellschaftlichem Streit ein eigenes Festspielhaus (Bericht auf Seite 22). Im September bot das Beethovenfest dann die Möglichkeit ein paar Götterfunken über den Streit regnen zu lassen, doch Bonns designierter Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan brachte im Interview seine Bedenken über die vom Stadtrat beschlossene »teure« Sanierung der Beethovenhalle zum Ausdruck. Damit war es um die Seelenruhe wieder geschehen.

In so einem Fall fährt man erstmal nach Berlin. Das mag jetzt zynisch klingen, aber in der Hauptstadt widmet man sich in Gestalt der Berliner Philharmoniker dem sinfonischen Gesamtwerk Beethovens. Das ist Balsam für die geschundene Seele.

Es ist ein bemerkenswert erheiterndes Erlebnis, die Philharmoniker in Berlin zu erleben. Der überaus sympathische Brite Sir Simon Rattle dirigiert Beethoven ohne viel Aufhebens zu machen. Wie dieser Beethoven voller Spannung und Klarheit in die Welt getragen wird, ist eindrucksvoll.

Generell erscheint Berlin als Bühne alles Möglichen. Friedrichshain und Kreuzberg zu besuchen ist ein Muss, um schnell noch die letzten Reste einer nun dahinsiechenden alternativ-anarchischen Lebenskultur sehen zu können. Doch trotz allem ist Berlin weltgewandt; es strotzt vor Erasmus-Studenten und jungen Start-up-Performern.

Inmitten dieser Bonnflucht platzen die Eilmeldungen über die Äußerungen der Bundesbauministerin Barbara Hendricks. Sie fordert eine neue Regelung für die Standortaufteilung der Bundesministerien. In Bonn befürchtet man die Schließung der verbliebenen Behörden. Fernab der Bundesstadt kommt man ins Grübeln. Liebes Bonn, und nun? Man bekommt ja fast schon Mitleid mit dir! Dich machte man erst zur Hauptstadt, dann zu einer Größe am Rhein; später, in den 90er Jahren, baute man dir sogar einen neuen Plenarsaal! Du dachtest, du wärest nun für immer Hauptstadt. Und dann war 1999 alles vorbei. Mit den Abgeordneten ging die Hauptstadt nach Berlin, der Rest ist bekannt.

Seit dem Wegzug gilt für Bonn: Der Strukturwandel ist notwendig und in vollem Gange. Doch wohin soll es denn eigentlich gehen? Die Bonner Selbstdarstellung ähnelt der eierlegenden Wollmilchsau. Bonn könne von Wissenschaftsstadt über Universitätsstadt, UN-Stadt, klar auch Beethovenstadt, alles; 2020 will sie auch noch Fahrradhauptstadt werden. Es scheint, als wolle man den verlorenen Hauptstadt-Status mit Etiketten aller Art kompensieren.

Man sollte es sich am Rhein einfacher machen. Bonn, das war im 17. und 18. Jahrhundert der beschauliche Wohnsitz der Kölner Kurfürsten, und später Ruhesitz wohlhabender Bürger. John le Carré, britischer Schriftsteller und in den 60er Jahren Diplomat in der Bundesrepublik, schrieb das Buch »Eine kleine Stadt in Deutschland«. Er meinte damit – genau: Bonn. Wenig schmeichelhaft beschrieb er die Stadt »als Wartesaal für Berlin«. Kurzum: Bonn war nie ein bedeutender Nabel der Welt, nie eine Metropole.

Es geht darum, zu erkennen, dass man zwar so arm, aber nie so sexy wie Berlin werden kann. Dass einem der Weltstadt-Glanz schlichtweg fehlt. Und es geht keineswegs darum, Bonn schlecht zu reden. Die Bonn-Debatte sollte sich nur endlich ihrer Prämisse entledigen, nach der Bonn eine Stadt von Weltrang sei, bzw. sein müsse. Befreit Bonn von dieser Bürde! Es ist keine Schande, »Bundesdorf« genannt zu werden. Der Hauptstadt-Status war ein glückliches Ereignis der Geschichte.

Liebes Bonn, stelle dich einer nüchternen Bestandsaufnahme! Du bist nicht groß und weltstädtisch. Du bist ein schmucker kleiner Ort am Rhein, der oben in der Tabelle mitspielt – aber das eher in der zweiten Liga. Wage dich nicht allzu hoch hinauf, sondern sei auch mit weniger zufrieden. Du kannst nicht international und weltoffen sein, wenn du vom Münsterplatz die Klangwelle verbannst! Sei ehrlich zu dir selbst, auch wenn es manchmal schmerzt. Und wenn du dir mal nicht gefallen solltest, dann ändere dich. Doch bedenke, dass dann jeder seinen Teil dazu beitragen muss – auch auf Kosten der eigenen Komfortzone.

In einem Beitrag für das NDR-Satiremagazin »extra3« beklebte Reporter Tobias Schlegl 2011 ein Bonner Stadtschild mit den Worten »Vorort von Köln«. Nun, das wird Bonn nun wirklich nicht gerecht. Aber erst in der Übertreibung erkennt man ja meist den wahren Kern.

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