E-Learning – Uni am Computer

Für uns Digital Natives optimal. Oder?

E-Learning ist im Kommen. Wir fragen: Wie sinnvoll sind die neuen Methoden, und müssen wir beim E-Learning nicht auch auf etwas verzichten?

Zunächst etwas Input: Was ist E-Learning überhaupt? Michael Kerres, Pionier des E-Learnings im deutschsprachigen Raum, definiert E-Learning als „Lernangebote, bei denen digitale Medien für die Präsentation und Distribution von Lerninhalten und / oder zur Unterstützung zwischenmenschlicher Kommunikation zum Einsatz kommen.“
Es gibt unterschiedliche Arten des E-Learnings, wobei an deutschen Hochschulen vor allem das sogenannte „Blended Learning“ praktiziert wird – eine Kombination aus Präsenzvorlesungen und virtuellen Lerneinheiten.
Auch an der Universität Bonn gibt es Aktivitäten in diesem Bereich. In Zusammenarbeit mit dem Bund-Länder-Programm „Qualitätspakt Lehre“ entwickelt und erweitert die Universität momentan den differenzierten Einsatz von E-Learning-Angeboten, vor allem in Form des Blended Learnings. Mit der didaktischen und elektronischen Aufbereitung von beispielsweise E-Klausuren oder digitalen Lehr- und Lernmedien ist das Team der eCampus-Plattform beauftragt.
Das Ziel des E-Learning-Angebots sieht Pressesprecher Dr. Andreas Archut darin, „einen hohen Qualitätsstandard zu erreichen“.
Voraussichtlich zum Sommersemester 2014 sollen Aufzeichnungen von Vorlesungen in erste Veranstaltungen versuchsweise integriert werden, die technischen Vorbereitungen dazu befinden sich in der Umsetzungsphase.
Noch weiter gehen Universitäten, die sich dafür entscheiden, ihre Lehrangebote in Form von sogenannten Massive Open Online Courses (Moocs) öffentlich zu machen, sodass nicht nur ihre eigenen Studierenden, sondern ein quasi unbeschränkter Interessentenkreis kostenlos darauf zugreifen kann. Vorreiter dabei sind ausgerechnet die Eliteuniversitäten Stanford und Harvard, deren Kurse normalerweise nur einer ausgewählten und begüterten Minderheit zugänglich sind. Auf der Internetseite www.edx.org kann jeder kostenlos auf Vorlesungen der besten Universitäten der Welt zugreifen, sich anschließend beim sogenannten Peer-to-peer-Learning mit anderen Teilnehmern austauschen und am Ende des Moocs sogar eine Prüfung mit Zertifikat ablegen.

 

Pro

E-Learning ist voll cool

Digitale Formen des Lernens sind in einer Zeit, in der das Internet uns überallhin begleitet und viele auch im Hörsaal konstant online sind, nur ein logischer Schritt.
Formen des E-Learnings bieten verschiedene Vorteile und können den Uni-Alltag erheblich erleichtern. Vor allem wenn Präsenzveranstaltungen aus welchen Gründen auch immer nicht besucht werden können, bieten digitale Vorlesungen eine gute Möglichkeit zur Nacharbeit. Ob im Krankheitsfall, bei Veranstaltungsüberschneidungen, bei Studierenden mit Kind oder Jobs mit festen Arbeitszeiten – Onlinekurse sorgen für eine freiere Zeiteinteilung und mehr Flexibilität.
Auch wenn man konkrete Teile einer Vorlesung nicht gleich beim ersten Hören verstanden hat oder vor der Klausur noch einmal wiederholen und die Mitschriften vervollständigen will, können Lernangebote im Internet sehr nützlich sein.
Genau wie mit freiwilliger Anwesenheit wird auch durch die Möglichkeit, online zu lernen, den Studierenden Selbstständigkeit und Eigenverantwortung im Studium zugetraut.
Universitäten können durch die neuen Methoden darüber hinaus Kosten für Personal und Räume sparen.
Gleichzeitig bieten online abrufbare Vorlesungen die Möglichkeit der Evaluation. Denn wenn eine Vorlesung eloquent und inhaltlich gut gemacht ist, geht man auch gerne hin, während hingegen langweilige und schlechte Veranstaltungen in nicht-virtueller Form so oder so im Laufe des Semesters immer leerer werden. Wenn sie online zugreifbar wären, ließe sich wenigstens herausfinden, ob es sich um ein generelles Desinteresse der Studierenden handelt oder ob die Massenabwesenheit wegen anderer Verpflichtungen zustande kommt und die Veranstaltung zumindest nachgehört wird.
Über das eigene Fach hinaus kann man über freie Vorlesungen aber auch in andere Fachgebiete hineinhören und sich so – wie von den Unis so oft gefordert – „über den Tellerrand“ hinaus bilden und zudem auch Themen vertiefen, die an der eigenen Uni überhaupt nicht angeboten werden.
Dozenten verschiedener Unis können vom Material anderer profitieren und interessierte Studierende sowie Wissbegierige aller Art können durch die digitale Lehre nicht nur ihr eigenes Studium vertiefen, sondern sogar in anderen Fachgebieten auf Vorträge auf hohem Niveau zugreifen und sich somit selbstständig weiterbilden.

Contra

Mehr Zwischenmenschlichkeit wagen!

Was wäre das für ein Studium, wenn es darin bestünde, alleine am Schreibtisch zu sitzen und auf einen Bildschirm zu starren, auf dem irgendein Professor, den du noch nie persönlich getroffen hast, seinen Stoff runterspult, und zwar für dich und tausend andere Mitstudierenden, die du aber nicht kennst, weil sie an ihren Computer gefesselt sind, vielleicht am anderen Ende Deutschlands?
Das ist natürlich übertrieben. E-Learning bedeutet nicht, dass jede Universität zur Fernuni wird. Dadurch dass ein großer Teil der Lern- und Lehrmaterialen sowie ganze Vorlesungen über das Internet verfügbar sind, besteht die Gefahr der Isolation jedoch durchaus. Keine gemeinsamen Vorlesungsbesuche mit Kommilitonen, keine Gruppenarbeiten, keine Referate. Vor allem problematisch dabei ist, dass durch mangelnden persönlichen Kontakt und Austausch Fragen ungeklärt und Missverständnisse vielleicht sogar unbemerkt bleiben. Die Studierenden werden überfordert mit einem Überangebot an Materialen und Dateien, während die Professoren in schwach bis gar nicht besetzten Hörsälen referieren.
Zu befürchten ist außerdem, dass E-Learning-Materialen vor allem technisch und weniger didaktisch aufgearbeitet werden. Für manche Fächer und Inhalte ist E-Learning zudem schlichtweg ungeeignet, beispielsweise für das Erlernen mündlicher Fremdsprachenkompetenz.
Hinzu kommt, dass E-Learning ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Eigenmotivation und Zeitmanagement erfordert. Obwohl das natürlich Grundvoraussetzungen im Studium sein sollten, können zeitunabhängig abrufbare Materialien die unter Studierenden sowieso schon weit verbreitete Aufschiebe-Mentalität zusätzlich fördern.
Für die meisten jungen Studierenden ist die Medienkompetenz, die E-Learning-Angebote fordern, zwar kein Problem, ältere (Gast-)Hörer könnten daran jedoch scheitern und würden so von der Weiterbildungsmöglichkeit ausgeschlossen.
Die Einführung von E-Learning-Angeboten erfordert zudem anfänglich hohe finanzielle und zeitliche Investitionen.

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