Einem geschenkten Gaul?

Die Bundesregierung schenkt der Uni Bonn eine Kissinger-Professur

Eine Völkerrechtsprofessur, benannt nach Henry Kissinger. Seine Verstrickungen in verschiedene Kriegsvergehen sorgen jetzt für Widerstand.

Am 26. Mai dieses Jahres wurde der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn eine besondere Ehre zuteil. Anlässlich des 90. Geburtstags des US-amerikanischen  Außenpolitikers Henry Kissinger ließ die Bundesregierung verkünden, dass an der Uni Bonn eine nach ihm benannte Stiftungsprofessur für Internationale Beziehungen und Völkerrechtsordnung eingerichtet werden solle. Finanziert wird sie vom Außen- und vom Verteidigungsministerium.
Die Freude an der Uni war groß. In der Pressemitteilung vom gleichen Tag äußerte Rektor Fohrmann: „Die ‚Henry-Kissinger-Professur‘ beflügelt Forschung und Lehre auf den Gebieten der internationalen Beziehungen und der Völkerrechtsordnung.“
Die Uni versteht die Vergabe der Professur an Bonn laut Pressesprecher Andreas Archut „auch als ein Zeichen der Anerkennung.“ Die Professur sei zudem eine Chance, die Uni Bonn „auf dem Gebiet der internationalen Sicherheitspolitik noch sichtbarer zu machen“.
Es scheint so, als habe man in Bonn unverhofft das große Los gezogen. Schließlich bekommt man nicht jeden Tag 300.000 € geschenkt (jährlich 250.000 € vom Verteidigungsministerium und 50.000 € vom Außenministerium), um einen Lehr-stuhl einzurichten. Noch dazu eine Professur, deren Namensgeber laut Verteidigungsminister de Maizière einer der „großartigsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts“ ist und sich „in herausragender Weise um Friedenspolitik und Entspannung […] in der Welt verdient gemacht hat“ so Außenminister Westerwelle.
„Was kann einem Standort wie Bonn Besseres passieren?“ könnte man meinen.
Doch es regt sich Widerstand! Verschiedene Hochschulgruppen, Bonner Friedensinitiativen und auch der AStA erheben schwere Vorwürfe gegen Kissinger und melden ihre Zweifel daran an, dass er als Namenspatron für die geplante Professur geeignet ist. Es lohnt sich also, sich Kissinger und sein Wirken einmal genauer anzuschauen:
Henry Kissinger war ohne Zweifel ein bedeutender Staatsmann des 20. Jahrhunderts. Er nahm als Nationaler Sicherheitsberater der USA und ab 1973 als Außenminister unter den Präsidenten Nixon und Ford von 1969 bis 1977 maßgeblich Einfluss auf  die US-amerikanische Außenpolitik.
1973 erhielt Kissinger gemeinsam  mit dem vietnamesischen Politiker Le Duc Tho den Friedensnobelpreis für die „Beendigung des Vietnamkriegs“ durch den Abschluss der Pariser Friedensgespräche. An dieser Stelle horchen die Geschichts-LKler unter uns womöglich auf, denn der Vietnamkrieg dauerte trotz des Waffenstillstandsabkommes noch bis 1975 an. Le Duc Tho lehnte den Preis aus diesem Grund ab. Doch abgesehen von der Frage, ob Kissinger den Nobelpreis nun zu Recht erhalten hat, gibt es gegen ihn darüber hinaus weit schwerwiegendere Vorwürfe, die immerhin beinahe ein Drittel seines deutschen Wikipedia-Artikels ausmachen.

Kissinger sorgt für Streit zwischen Uni und Studierendenparlament. Foto: Norbert Schiller

Kissinger sorgt für Streit zwischen Uni und Studierendenparlament. Foto: Norbert Schiller

Machen wir es konkret: Henry Kissinger wird vorgeworfen, während des Vietnamkriegs Flächenbombardements auf das Land veranlasst zu haben, bei  denen auch Tausende Zivilisten ums Leben kamen. Des Weiteren soll er für die Bombardierung der neutralen Staaten Kambodscha und  Laos in der Zeit von 1969 bis 1973 mitverantwortlich sein. Bei diesen  wohlgemerkt völkerrechtswidrigen Angriffen starben zwischen 200.000 und 950.000 Menschen.
In Kissingers Amtszeit fällt außerdem die Unterstützung des rechten Militärputschs gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Chiles, Salvador Allende, durch die CIA. Während des Putsches starben 3000 Menschen. Es folgte eine bis 1990 bestehende Militärdiktatur, während der Tausende gefoltert wurden oder verschwanden.
Einschlägige Dokumente weisen nach, dass Kissinger als Leiter des dafür zuständigen „40 commitee“ in die Unterstützung des Umsturzes der sozialistischen Regierung Chiles direkt involviert war. Erhebliche Vorwürfe gegen die USA, deren Außenpolitik Kissinger zeitweise quasi im Alleingang bestimmte, gibt es außerdem wegen der Unterstützung von Massakern in Bangladesch 1971 und Osttimor 1975.

Lukas Mengelkamp, Mitglied der ghg, fordert mehr Transparenz. Foto: Ronny Bittner

Lukas Mengelkamp, Mitglied der ghg, fordert mehr Transparenz. Foto: Ronny Bittner

Fakt ist: Henry Kissinger werden schwere Kriegsverbrechen und Vergehen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen und bis heute laufen gegen ihn in diversen Ländern Gerichtsverfahren.
Aus genau diesem Grund hält AStA-Vorsitzende Alena Schmitz „die beabsichtigte akademische Ehrung“ für „nicht akzeptabel, solange die bestehenden Beschuldigungen nicht restlos ausgeräumt sind.“
In der Sitzung des Studierendenparlaments am 9. Oktober wurde auf Betreiben mehrerer Abgeordneter der Grünen Hochschulgruppe, der Piraten und der Juso-Hochschulgruppe ein Antrag verabschiedet, der die Universität dazu auffordert, von der geplanten Namensgebung abzusehen.
Auf Anfrage der akut erklärt Pressesprecher Archut im Namen der die Uni, Kissingers Leistungen als Staatsmann seien „nicht wegzudiskutieren und sollten auch  im Kontext seiner Zeit beurteilt werden.“ Man sehe keinen Sinn darin, die einzelnen Vorwürfe „im Detail zu diskutieren“, denn Kissingers Wirken sei „jenseits aller Kontroversen“ mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.
Allerdings kritisiert das SP im oben genannten Antrag nicht nur die zweifelhafte Vorbildrolle Kissingers, sondern auch das bisherige Finanzierungskonzept der Professur, denn die Mittel für den Lehrstuhl durch die Bundesministerien werden nur für fünf Jahre bereitgestellt. Das SP befürchtet nun, dass die 300.000 € jährlich nach Ablauf dieser Zeit aus anderen Bereichen von Forschung und Lehre abgezogen werden könnten und fordert die Universität auf, ein Finanzierungskonzept für die Zeit danach vorzulegen. Ein zweiter Grund zur Sorge ist für die Antragsteller die mögliche inhaltliche Beeinflussung der Kissinger-Professur durch die Geldgeber.
Der Initiator des Kissinger-Widerstandes, Lukas Mengelkamp von der Grünen Hochschulgruppe, fordert deshalb von der Uni mehr Transparenz bei der inhaltlichen Ausrichtung und dem Berufungsverfahren. „Es bereitet mir große Bauchschmerzen, wenn das Verteidigungs­ministerium an einer zivilen Uni einen Lehrstuhl finanziert“, so Mengelkamp. Er plädiert stark für eine prinzipielle Trennung zwischen ziviler und militärischer Ebene. Die Grenze hält er im Fall der Kissinger-Professur für überschritten. Dem widerspricht Uni-Pressesprecher Archut und versichert, dass der Geldgeber der Stiftungsprofessur „im laufenden Betrieb keinen Einfluss auf Forschung und Lehre oder die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen“ habe.
Was die Kritiker aber wohl nicht beruhigen wird, ist, dass das zu bearbeitende Forschungsfeld „ im Vorfeld mit den Förderern abgesteckt“ wird. Was immer das im Einzelfall heißen mag.

Die Grüne Hochschulgruppe jedenfalls hat in diesem Semester die Aufklärungsarbeit über Henry Kissinger und den Widerstand gegen die Namensgebung auf ihre Fahne geschrieben. Geplant sind eine Filmvorstellung, ein Vortrag des Chile-Experten Professor Klaus Meschkat von der Uni Hannover und eine Fotoausstellung über Chile. Lukas Mengelkamp würde sich auch eine Podiumsdiskussion mit Vertretern der Uni wünschen, in der diese die grünen Bedenken „argumentativ zerstreuen“ und auf konkrete Vorwürfe eingehen müssten.
Die Henry-Kissinger-Professur bedeutet für die Uni Bonn ohne Frage eine einmalige (vor allem finanzielle) Chance, sich  im Forschungsfeld der internationalen Beziehungen einen Namen zu machen. Die Tatsache, dass Kissingers Name im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen fällt, verleiht der Professur jedoch einen unangenehmen und zynischen Beigeschmack. Die Uni sollte nicht versuchen, Kissingers Leistungen und die ihm vorgeworfenen Verbrechen gegeneinander aufzurechnen. Das Vorbild für eine Professur für Völkerrecht sollte – gerade was die Achtung der Menschenrechte angeht – eine lupenreine Weste vorweisen  können.

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