In lautem Gedenken

Protest gegen Sparpolitik 17 Professuren sollen für eine unbefristete Zeit nicht besetzt werden, weil die Universität Bonn ein Haushaltsdefizit in Millionenhöhe hat. Dass wegen Finanzierungsproblemen ihre Lehre leidet, wollen viele Studierende nicht einfach hinnehmen.

von ALEXANDER GRANTL

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Demonstranten Foto: Alexander Grantl / AKUT

Als hätte er gerade geduscht: Vollkommen durchnässt erreicht Lukas Mengelkamp zur Mittagszeit den Münsterplatz. Vor zwanzig Minuten hatte heftiger Regen eingesetzt, zeitweise waren die Regentropfen beim Auftreffen geradezu schmerzhaft. Ein grauer Himmel, flüchtende Passanten – Lukas passt gar nicht in diese Szenerie: Sein Gesichtsausdruck ist fast euphorisch – denn ihm folgen rund 300 Demonstrantinnen und Demonstranten. Sie tragen Transparente, Plakate, Schilder, Holzkreuze und – Regenschirme. Wer bei diesem Wetter demonstrieren geht, der meint es ernst.

Lukas ist einer der Sprecher von »SparUni Bonn« – das Bündnis hat diese Demonstration organisiert. Ihnen und den Protestierenden geht es um die Sparmaßnahmen an der Universität Bonn. Im Haushalt ihrer Universität fehlen etwa 8 Millionen Euro. Das hat zur Folge, dass 17 Professuren »eingefroren« werden müssen. Die Universität betont, dass »Einfrieren« nicht das gleiche bedeute, wie die Stelle zu streichen. Es sei aber sehr ähnlich, sagt Lukas. Wenn der Inhaber einer Stelle diese verlässt oder in Rente geht, dann wird sein Platz nicht neu besetzt – die Stelle ist also noch da. Aber: »Für uns besteht eigentlich nicht die Aussicht darauf, dass diese Professuren irgendwann wieder besetzt werden«, sagt Kerstin Stange von »SparUni Bonn«. Denn die Stellen werden unbefristet eingefroren – konkret geht es um 8 Professuren der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät, 5 der Philosophischen, 2 der Landwirtschaftlichen, und 2 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen  Fakultät. Für Kerstin, die Geowissenschaften studiert, fallen zwei Professuren und dadurch ganze Module weg.

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Organisator Mengelkamp Foto: Alexander Grantl / AKUT

Dass der Verursacher des 8-Millionen-Defizits nicht so einfach zu benennen ist, weiß auch das »SparUni Bonn«-Bündnis. Zwar hat das Rektorat der Universität die Sparmaßnahmen verordnet, doch: »Das Land müsste eigentlich mehr Geld in die Hochschulen stecken«, erklärt Lukas. Auch die Universität Bonn fordert das von der nordrhein-westfälischen Landesregierung. Ganz aus der Verantwortung entlässt Lukas die Uni jedoch nicht: »Die Universität hätte möglicherweise früher und auch strukturierter partizipativer Reformprozesse einleiten können.«

Auf ihrer Internetseite versucht die Universität, ihre Finanzierungsprobleme zu erklären. Die Grundfinanzierung durch das Land Nordrhein-Westfalen sei zu gering, um den seit Jahren steigenden Kosten zu begegnen. Strom, Heizöl und Gas seien teurer geworden; Baumaßnahmen, Anmietungen, technische Ausstattung und Infrastruktur – das alles belaste den Haushalt, ohne, dass vom Land mehr Geld käme.

Dem widerspricht das SparUni-Bündnis nicht. Aber ergänzt: Auch Drittmittelprojekte belasteten die Grundmittel der Universität. Zwar würden mit Drittmitteln konkrete Forschungsprojekte und -personal bezahlt, die Infrastruktur, die genutzt würde, müsse aber von der Uni selber finanziert werden. Außerdem: Wenn es in den letzten Jahren tarifbedingte Gehaltssteigerungen für Mitarbeiter der Universität gegeben habe, seien diese ebenfalls nicht durch das Land ausgeglichen worden.

Die gestiegenen Kosten versuche die Universität zunächst in gleicher Weise auf alle ihre Bereiche zu verteilen. Das betrifft die Fakultäten, außer der Medizinischen Fakultät, die einen eigenen Haushalt hat und der Katholisch- und Evangelisch-Theologischen Fakultät, die von weiteren Einsparungen beide in ihrer Existenz bedroht wären. Auch betroffen sind zentrale Betriebseinheiten (etwa das Hochschulrechenzentrum) und zentrale wissenschaftliche Einrichtungen (etwa das Forum Internationale Wissenschaft), genauso wie die Universitätsverwaltung.

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Foto: Alexander Grantl / AKUT

Weitere Einsparungen sollen durch verschiedene andere Maßnahmen erreicht werden – darunter eben auch das unbefristete Nicht-Besetzen von Professuren, das »Einfrieren«. Welche Professuren genau betroffen sind, entscheiden die Fakultäten selbst. Sie bekommen die Personalmittel von der Universität zur Verfügung gestellt und können sie selbstständig verteilen. Am Ende ist entscheidend, ob die vom Rektorat vorgegebene Summe eingespart wurde. Theoretisch könnten die Einsparungen also auch ohne personelle Folgen auskommen – nur seien die Möglichkeiten an anderer Stelle zu sparen bereits ausgeschöpft, erklärt die Universität.

Ob das Defizit tatsächlich 8 Millionen Euro beträgt, ist dabei nicht einmal sicher. Die Entwicklung der Energiekosten beispielsweise lässt sich nicht abschließend vorhersagen – sie sind aber ein wichtiger Faktor für die Höhe des Defizits.

Und das ist nicht die einzige Frage zur Sparpolitik, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Umso wichtiger ist dem SparUni-Bündnis Kommunikation, besonders mit der Leitung der Universität. Auf Facebook wies die Uni Bonn auf die Demonstration hin: »Das Rektorat begrüßt übrigens ausdrücklich, wenn Ihr Euch für die Belange unserer Universität engagiert.«

Und das tun sie – auch bei Regen. Lukas und das Bündnis »SparUni Bonn« werteten die Demonstration jedenfalls als Erfolg. Dass trotz des schlechten Wetters so viele Menschen demonstrierten, habe ihn überrascht – »wenn das kein Zeichen ist«. Am Poppelsdorfer Schloss war der Protestzug am Vormittag losgegangen, über den Kaiserplatz in die Nassestraße, von dort, am Hauptgebäude vorbei, über den Markt auf den Münsterplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Die Demonstration war zuvor mit verschiedenen Aktionen in der Öffentlichkeit beworben worden, etwa mit einem »Trauermahl« vor dem Poppelsdorfer Schloss.

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