„Wir sind in den Startlöchern“

Der Rechtshilfeausschuss — Studierende, die in Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zur Uni Bonn verwickelt sind, können sich die Prozesskosten erstatten lassen. Genutzt wird das Angebot nicht. Warum? Und warum wird trotzdem so viel Geld zur Verfügung gestellt? Von Jonas Prinsen

 

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Die vier Mitglieder des aktuellen Rechtshilfeausschusses, ein Ausschuss des Studierendenparlaments, würden gerne arbeiten, aber sie können nicht. So lautet zumindest das Credo der Vorsitzenden Hannah Birkhoff im Interview. Tatsächlich kann das eigentliche Engagement des Ausschusses – also Rechtshilfe zu leisten – erst beginnen, wenn dies von außen angestoßen wird, und zwar in Form eines offiziellen Antrags. Den Antrag auf Rechtshilfe können alle Studierenden der Uni Bonn stellen. Beziehungsweise alle, die planen, hier zu studieren – denn bereits das Einklagen kann finanziell unterstützt werden.

Andere denkbare Fälle sind Diskriminierungsklagen oder auch Klagen gegen eine Exmatrikulation. Neben dem Antrag muss außerdem ein anwaltliches Gutachten eingereicht werden, das die Erfolgschancen der Klage einschätzt. Mithilfe dieses Gutachtens entscheidet der Rechtshilfeausschuss dann, ob die Kosten eines Verfahrens getragen werden, oder nicht. Im Entscheidungsprozess spielt außerdem die Satzung des Ausschusses eine entscheidende Rolle, da hier die Kriterien und Auflagen zu finden sind, nach denen sich die Mitglieder richten müssen. In all diesen Schritten handelt der Rechtshilfeausschuss komplett autonom und ohne Rücksprache mit dem Studierendenparlament (SP).

Gerade in Rechtsfragen, erklärt Hannah, sei es ja enorm wichtig, eigenständig handeln zu können. Soweit die Theorie. Wie der Entscheidungsprozess in der Praxis aussieht, ist jedoch schwer zu sagen, da der Rechtshilfeausschuss des 37. Studierendenparlaments in seiner gesamten Existenz noch keinen einzigen (!) Fall bearbeitet hat und ihm insofern einfach noch die Erfahrungswerte fehlen, um ein konkretes Vorgehen zu beschreiben. Aber, stellt Hannah klar, man sei „in den Startlöchern“ und jeder wisse, was er „im Notfall“ zu tun habe: „Wenn jemand kommen möchte, sind wir immer startbereit.“ Bis dahin treffe sich jeder Rechtshilfeausschuss einmal im Jahr zu seiner konstituierenden Sitzung und überprüfe lediglich, ob die Satzung noch aktuell sei. In der konstituierenden Sitzung des diesjährigen Ausschusses wurde diese Praxis bestätigt.

Es stellt sich also die Frage, weshalb das Interesse an der Rechtshilfe so gering ist. Auch die Vorsitzende kann sich dies nicht wirklich erklären: Obwohl sie keine Einsicht in die entsprechenden Zahlen der Uni habe, könne es ja wohl kaum daran liegen, dass es zu wenig Kläger gebe! Zwei strukturelle Aspekte fallen hier ins Gewicht: zum einen die Konkurrenz zur Prozesskostenhilfe des Staates, die auch Studierende direkt von der Bundesrepublik Deutschland einfordern können. Verstand sich die Rechtshilfe lange als Ersatz zu dieser, wurden die Kriterien zum Einsatz des Rechtshilfefonds allerdings zuletzt gelockert, sodass die Rechtshilfe jetzt großzügiger gewährt wird als die Prozesskostenhilfe des Staates.

Zum anderen macht Hannah darauf aufmerksam, dass es verschiedenste Rechtsschutzversicherungen gibt, die ebenfalls in Konkurrenz zum Rechtshilfeausschuss stehen. Die Existenz dieser beiden „natürlichen Konkurrenten“ sollte einen weiteren, entscheidenden Punkt aber auf keinen Fall überdecken: Die mangelhafte Kommunikation des RechtshilfeAngebots an die Studierenden! Dass nun seit mindestens einem Jahr nicht einmal mehr ein Antrag auf Rechtshilfe bearbeitet werden musste (bei knapp 34.000 Studierenden an der Uni Bonn insgesamt) spricht dabei wohl für sich. Hannah selbst gibt zu: „Ich weiß nicht, ob die Studierenden überhaupt Bescheid wissen über die Rechtshilfe.“ Und um den Rechtshilfefonds beispielsweise im aktuellen „UNIhandbuch“ des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) zu finden, muss man schon genau suchen. Auf Seite 54 findet man dann die Aussage: „In Einzelfällen und in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung setzt sich der AStA auch politisch ein. […] In ganz außergewöhnlichen Fällen kann über den Rechtshilfefonds des AStA auch eine Kostendeckung gewährt werden.“

In „ganz außergewöhnlichen Fällen“? Im Vergleich zu dem Eindruck, den ich während der Recherche erhalten habe, erscheint diese Formulierung viel zu defensiv. Warum ist die aktuelle „Beschäftigungslosigkeit“ des Rechtshilfeausschusses ein Problem? Bis auf 300 Euro im Haushaltsjahr 2009/10 und ca. 235 Euro im Haushaltsjahr 2011/12 hat der Rechtshilfeausschuss sein Budget in den letzten Jahren nie in Anspruch genommen, sodass von Geldverschwendung im Grunde keine Rede sein kann. Ein Gremium, das sich eben einmal im Jahr trifft und im Notfall Rechtshilfe leistet, tut, so gesehen, ja erst einmal niemandem weh. Der entscheidende Punkt ist, dass das Budget des Ausschusses in den letzten Jahren von ehemals 5.000 Euro (bis einschließlich 2010/11) erst auf 10.000 (2012/13) und dann auf aktuell 15.000 Euro (ab 2013/14) erhöht wurde. Wozu braucht ein Ausschuss, der nichts zu tun hat, so viel Geld? Ich will hier auf keinen Fall auf das ständig überreizte und fantasielose „Wir müssen sparen“-Argument hinaus. Vielmehr muss man fragen: Könnte ein Teil des Geldes nicht an anderer Stelle sinnvoller verwendet werden? Der Vorwurf an den AStA, Gelder zu verstecken, bzw. zu „parken“, ist nicht neu – kann man ihn hier wieder erheben?

Hannah macht im Interview die ziemlich absurde Aussage, dass sie sich hierzu nicht politisch äußern wolle. Sich in der Hochschulpolitik engagieren, aber dann keine politischen Aussagen machen wollen – dieser Satz schürt Misstrauen, das so wahrscheinlich gar nicht gerechtfertigt ist. Alois Saß, Finanzreferent des AStA, begründet die Budgeterhöhung mit dem oben schon erwähnten veränderten Kriterienkatalog, der die „unterstützungsfähigen Tatbestände“ erweitert habe. Den Vorwurf, Geld zu verstecken, weist er vehement zurück. Im Gegenteil: Um auch mit den neuen Kriterien im Notfall mehr als einen Studierenden zu unterstützen, habe sich das SP bewusst für die Erhöhung der Mittel entschieden. Ob das Geld an anderer Stelle dringender benötigt werde, sei eine reine Ermessensfrage. Außerdem stellt er klar, dass überschüssige Finanzmittel nach Ablauf des Haushaltsjahres ja nicht verloren seien, sondern in die „Überschüsse des vergangenen Haushaltsjahres“ übertragen werden und von dort aus in den neuen Haushalt eingehen können. Sie seien also keineswegs „geparkt“.

Lässt sich mit diesem Argument wirklich die Verdreifachung des Budgets begründen – nur auf die Hoffnung hin, dass es in Zukunft besser genutzt wird? Außerdem sollte der Einfluss des SP nicht überschätzt werden. Fakt ist nämlich, dass der AStA-Finanzreferent einen Haushaltsentwurf in das SP einbringt, welches den Entwurf dann gründlich prüfen und diskutieren soll und ihn nach eventuellen Änderungen bestätigt. In der Realität fällt die Diskussion jedoch von Jahr zu Jahr immer kürzer aus. In der Praxis gestaltet also vor allem der Finanzreferent den Haushaltsplan und „versteckte“ Gelder hätten wahrscheinlich eine gute Chance, durch die Haushaltssitzung des SP zu kommen. Trotzdem ist der Vorwurf wohl nicht zu halten. Denn: Nach Alois‘ Darstellung war es der Rechtshilfeausschuss selbst, der ihn um die Erhöhung der Gelder gebeten hat – die Initiative ging somit gar nicht vom AStA aus.

Dies alles geschah vor Hannahs Amtszeit als Vorsitzende des Ausschusses. Es ergibt sich also das Bild, dass man zumindest den aktuellen Beteiligten – im Bezug auf die Finanzen – keinen ernsthaften Vorwurf machen kann. Was bleibt, ist die Frage nach der Legitimität einer derart hohen Summe für einen so arbeitslosen Ausschuss. Dass sich dieser mit seiner derzeitigen Rolle zufrieden gibt, statt zum Beispiel eine bessere Kommunikation mit den Studierenden zumindest anzustoßen, macht die Sache nicht besser. Offizielle Aufgabe des Ausschusses ist zwar die Verteilung der Gelder aus dem Rechtshilfefonds – das aber wird nun einmal erst dann möglich sein, wenn die Studierenden auch darüber Bescheid wissen.

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