Der junge Wilde

RUBRIK BEKANNTE ABSOLVENTEN  Norbert Röttgen war Bundesumweltminister und ist nun Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Im E-Mail-Interview berichtet er über sein Studium in Bonn, den Weg nach Berlin und die Herausforderungen der Außenpolitik.

INTERVIEW SOPHIE LEINS

CDU-Politiker Röttgen »Ich habe nicht geplant, Politik zum Beruf zu machen« (Foto: WOLFGANG HENRY / CC BY-SA 3.0 de)

CDU-Politiker Röttgen »Ich habe nicht geplant, Politik zum Beruf zu machen« (Foto: WOLFGANG HENRY / CC BY-SA 3.0 de)

AKUT   Herr Röttgen, 1984 machten Sie ihr Abitur in Rheinbach, dann studierten Sie Rechtswissenschaften in Bonn. Warum war Bonn für Sie als Studienstadt attraktiv? Was hat Bonn, was Berlin nicht hat?

RÖTTGEN   Bonn ist eine tolle Stadt mit einem ganz besonderen Flair; die Uni hatte und hat einen ausgesprochen guten Ruf. Als Rheinländer war Bonn für mich deshalb als Studienstadt erste Wahl. Zu Ihrer letzten Frage: Berlin fehlt der Rhein; und den Berlinern ganz eindeutig die rheinische Mentalität.

AKUT   Sie sind schon als Schüler in die Junge Union eingetreten. Ab wann hatten Sie das Ziel, in die Politik zu gehen?

RÖTTGEN   Mir hat die Arbeit in der JU und später in der CDU schon als Schüler und Student Freude gemacht. Aber ich habe nicht geplant, Politik zum Beruf zu machen. Dies hat sich erst später ergeben.

AKUT   Sie gelten als ehrgeizig und haben sich in der Politik bis nach ganz oben hochgearbeitet. Waren Sie ein strebsamer Student? Wie sah Ihr Studentenleben aus?

RÖTTGEN   Die Studienzeit war eine tolle Zeit! Mein Studium hat mir Freude gemacht und, anders als von den Studenten heute vielfach beklagt, war daneben noch genug Zeit für andere Dinge. Ich habe zum Beispiel viel Sport getrieben.

AKUT   Inwiefern hat sie das Jurastudium auf Ihre Karriere als Politiker vorbereitet?

RÖTTGEN   Ich habe im Studium gelernt, mit juristischen Texten umzugehen, aber auch, mir Sachverhalte analytisch zu erschließen und strukturiert Lösungsansätze zu erarbeiten. Das hilft mir heute sehr.

AKUT   Wie verlief letztlich Ihr Weg vom Studium in Bonn zur Bundespolitik?

RÖTTGEN   Nach dem Zweiten Staatsexamen hat mich mein Weg in eine Kölner Anwaltskanzlei geführt. Kurz danach stand ich vor der Entscheidung, mich für die CDU um die Bundestagskandidatur in meinem Heimatwahlkreis zu bewerben, weil Franz Möller nicht erneut kandidieren wollte. Ich habe mich dann zunächst der parteiinternen Auswahl gestellt und bin 1994 zum ersten Mal als Wahlkreisabgeordneter in den Deutschen Bundestag gewählt worden.

AKUT   Ihr Erstes Staatsexamen machten Sie 1989, das Referendariat Anfang der 1990er. Wie fühlte es sich an, als die Bundeshauptstadt dann vom heimatlichen Bonn nach Berlin verlegt wurde?

RÖTTGEN   Der Umzugsbeschluss fiel am 20. Juni 1991 im Wasserwerk in Bonn. Ich erinnere mich sehr genau an diesen Tag. In Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis herrschte »Weltuntergangsstimmung«. Glücklicherweise haben sich die Befürchtungen nicht bewahrheitet. Unsere Region hat den notwendigen Strukturwandel gut bewältigt. Aber das war und ist leider auch weiterhin mit viel Arbeit verbunden.

AKUT   Ende der 1990er gehörten Sie einer Gruppe innerhalb der CDU an, die als »Junge Wilde« bezeichnet wurde, weil sie gegen die Parteiführung von Helmut Kohl aufbegehrte. Viele dieser jungen Wilden, z.B. Christian Wulff, Peter Altmaier, Ronald Pofalla und auch Sie sind damals ein Risiko eingegangen, haben es dann aber in hohe Positionen geschafft. Wer nichts wagt, der nichts gewinnt?

RÖTTGEN   Der Sinn politischer Arbeit ist nach meinem Verständnis nicht, ein Amt zu bekleiden. Wir sind damals mit ganz konkreten inhaltlichen Zielen angetreten. Es ging uns z.B. um eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und eine stärkere Beteiligung der Mitglieder an parteiinternen Entscheidungsprozessen. Dafür haben wir gekämpft – gegen erhebliche Widerstände. Aber letztlich waren wir in den zentralen Punkten erfolgreich, auch wenn es einige Zeit gedauert hat.

Norbert Röttgen im NRW-Landtagswahlkampf 2012 (Foto: TIM RECKMANN / CC BY-SA 3.0 de)

Norbert Röttgen im NRW-Landtagswahlkampf 2012 (Foto: TIM RECKMANN / CC BY-SA 3.0 de)

AKUT   Braucht die Merkel-CDU von heute wieder einmal ein paar junge Wilde, die wagen zu rebellieren?

RÖTTGEN   … ein bisschen Rebellion schadet einer Partei wohl nie.

AKUT   Sie trafen sich damals unter anderem mit Vertretern der Grünen in Bonner Pizzerien, um Gemeinsamkeiten zwischen ihren Parteien auszuloten. Das Ganze wurde als »Pizza-Connection« bekannt. Welche Bonner Pizzeria können Sie uns empfehlen?

RÖTTGEN   Damals haben wir uns stets im gleichen Restaurant getroffen. Inzwischen weiß ich aber, dass es in Bonn und in der Region noch sehr viel mehr gute Restaurants gibt 😉

AKUT   2001 promovierten Sie an der Universität Bonn zum Dr. jur. – hatten und haben Sie eine enge Bindung zu Ihrer Alma Mater?

RÖTTGEN   Ja. Mir ist ein enger Kontakt bis heute wichtig. So habe ich mich sehr gefreut, im Herbst gemeinsam mit dem Rektor der Uni, Herrn Professor Hoch, die Präsidentin des German Marshall Fund zu einem Gespräch in der Uni begrüßen zu können.

AKUT   Mittlerweile sind Sie Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages. Was sehen Sie momentan als größte außenpolitische Herausforderung für Deutschland?

RÖTTGEN   Leider ist die Liste der außenpolitischen Herausforderungen derzeit sehr lang – und jede für sich fordert eigentlich unsere ganze Kraft. In dieser Situation zeigt sich besonders deutlich, wie existenziell wichtig ein starkes und einiges Europa ist. Ich hoffe sehr, dass es gelingt, die europäische Krise, in der wir stecken, rasch zu überwinden. Ebenso, wie wir im Hinblick auf den internationalen Terrorismus mit einer Sprache sprechen, muss es gelingen, auch in der Flüchtlingspolitik europäische Lösungen zu finden.

AKUT   Wie schätzen Sie die Notwendigkeit eines militärischen Einsatzes Deutschlands in Syrien ein?

RÖTTGEN   Der Kampf gegen den sogenannten »Islamischen Staat« kann nicht mit militärischen Mitteln ohne ein politisches Konzept gewonnen werden. Aber ohne eine militärische Präsenz des Westens im Mittleren Osten wird die Diplomatie keine Chance haben. Der Einsatz der Bundeswehr, den der Deutsche Bundestag beschlossen hat, liegt im Interesse unserer eigenen Sicherheit, der Sicherheit in Europa. Aber es sind die Menschen in Syrien und im Irak, die am allermeisten unter dem Terror leiden. Für sie sind die Gräueltaten von ISIS schrecklicher Alltag. Jeden Tag werden Mädchen verkauft und misshandelt, damit der Terror finanziert werden kann.

Wir können die Opfer, die unter der Brutalität und Menschenverachtung des ISIS-Terrors leiden, nur beschützen, indem wir handeln – auch militärisch.

AKUT   Mit Ihren 50 Jahren haben Sie das politische Leben in Deutschland schon aus vielen Perspektiven kennen gelernt: Vorsitzender der Jungen Union NRW, Mitglied des Bundestages, Bundesminister, Spitzenkandidat für den Posten des Ministerpräsidenten NRW, Ausschussvorsitzender – was geben Sie den Bonner Studierenden mit auf den Weg?

RÖTTGEN   Wichtig ist aus meiner Sicht, für sich persönlich herauszufinden, was einem Freude macht, was einem liegt, wofür man sich einsetzen möchte. Und dann sollte man auch den Mut haben, dies zu tun. 

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